Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Hillel Kempler

Cafe und Konditorei im Scheunenviertel

Hillel Kempler wurde 1925 in Berlin geboren. Seine Familie stammte ursprünglich aus der Ukraine und zog nach Berlin, weil sie sich dort mehr Zukunfstchancen ausrechnete. Hillel Kemplers Eltern waren religiös und betrieben eine beliebte koschere Konditorei im jüdisch geprägten Scheunenviertel in Berlin-Mitte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten konnten Hillel Kempler und seine Familie nach Palästina zu flüchten, wo sie sich in Tel Aviv niederließen. Hillel Kempler arbeitete nach seiner Zeit im Militär als Berufsschullehrer.

Hillel Kemplers Mutter, Liebe Kempler, mit ihren Kindern Gusti, Miriam und Hillel (im Kinderwagen) vor dem Geschäft der Familie in der Grenadierstraße in Berlin-Mitte, 1925
Hillel Kempler und seine Schwester Miriam in Berlin, 1929
Die Kempler-Familie mit Freunden in Berlin, 1927

Mein Vater war ein sehr ambitionierter Mensch. Er wollte es zu etwas bringen im Leben.

In Berlin hat er die koschere Konditorei “Krakauer Café und Konditorei“ in der Grenadierstraße 20 eröffnet. In der Konditorei meines Vaters gab es eigene Backwaren, auch außer Haus wurden sie geliefert, man konnte frühstücken und zu Abend essen. 

Die Grenadierstraße war eine jüdische Strasse im berühmten Berliner Scheunenviertel. Im Scheunenviertel wohnten damals viele sehr religiöse Juden mit Pejes und Kaftanen, modernere Juden wie mein Vater und seine Freunde, Arbeiter und Geschäftsleute. Zuerst hat mein Vater die Konditorei gemietet, dann hat er sie gekauft. Es war eine berühmte Konditorei, sie hatte einen guten Namen. In der Konditorei gab es Kaffee und verschiedene Kuchen: Käsekuchen, Apfelkuchen, Strudel und so'ne Sachen, und es gab sogar Eiscreme und Bier. Die Konditorei war ziemlich klein. Man ging von der Straße drei oder vier Stufen hinunter, denn sie lag im Halbkeller. Es gab zwei Räume mit Tischen für die Gäste, daneben waren noch zwei Räume, in einem war auch die Backstube mit den Maschinen. Mein Vater hatte einen Gehilfen, aber auch meine Mutter hat manchmal, wenn viele Gäste da waren, mitgearbeitet. 

In unserer Konditorei traf sich regelmäßig eine kommunistische Gruppe. Das waren ungefähr zehn bis fünfzehn Leute. Sie haben viel Zeit in der Konditorei verbracht. Ich weiß, dass es jüdische und nichtjüdische Kommunisten waren. Sie haben Informationen ausgetauscht und Spiele gespielt, an Domino kann ich mich gut erinnern. Auch ich habe sehr gern Domino gespielt. Oft haben sie mich gerufen: “Komm Hillel, spiel mit uns!“ Und ich war immer sehr stolz, dass ich mit ihnen spielen durfte. Sie haben Bier und Kaffee getrunken und viel Käsekuchen gegessen. Der Käsekuchen meines Vaters war nämlich ganz berühmt. Sie haben immer alles bezahlt. Mein Vater war ein frommer Jude, er hat nichts von Politik verstanden, denn Politik hat ihn überhaupt nicht interessiert. 

Unsere Straße war sehr jüdisch, aber mit den Kommunisten haben wir gut zusammen gelebt. Natürlich wusste ich damals nicht, was ein Kommunist ist.

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