Hillel Kempler
Cafe und Konditorei im Scheunenviertel
Hillel Kempler wurde 1925 in Berlin geboren. Seine Familie stammte ursprünglich aus der Ukraine und zog nach Berlin, weil sie sich dort mehr Zukunfstchancen ausrechnete. Hillel Kemplers Eltern waren religiös und betrieben eine beliebte koschere Konditorei im jüdisch geprägten Scheunenviertel in Berlin-Mitte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten konnten Hillel Kempler und seine Familie nach Palästina zu flüchten, wo sie sich in Tel Aviv niederließen. Hillel Kempler arbeitete nach seiner Zeit im Militär als Berufsschullehrer.
Mein Vater war ein sehr ambitionierter Mensch. Er wollte es zu etwas bringen im Leben.
In Berlin hat er die koschere Konditorei “Krakauer Café und Konditorei“ in der Grenadierstraße 20 eröffnet. In der Konditorei meines Vaters gab es eigene Backwaren, auch außer Haus wurden sie geliefert, man konnte frühstücken und zu Abend essen.
Die Grenadierstraße war eine jüdische Strasse im berühmten Berliner Scheunenviertel. Im Scheunenviertel wohnten damals viele sehr religiöse Juden mit Pejes und Kaftanen, modernere Juden wie mein Vater und seine Freunde, Arbeiter und Geschäftsleute. Zuerst hat mein Vater die Konditorei gemietet, dann hat er sie gekauft. Es war eine berühmte Konditorei, sie hatte einen guten Namen. In der Konditorei gab es Kaffee und verschiedene Kuchen: Käsekuchen, Apfelkuchen, Strudel und so'ne Sachen, und es gab sogar Eiscreme und Bier. Die Konditorei war ziemlich klein. Man ging von der Straße drei oder vier Stufen hinunter, denn sie lag im Halbkeller. Es gab zwei Räume mit Tischen für die Gäste, daneben waren noch zwei Räume, in einem war auch die Backstube mit den Maschinen. Mein Vater hatte einen Gehilfen, aber auch meine Mutter hat manchmal, wenn viele Gäste da waren, mitgearbeitet.
In unserer Konditorei traf sich regelmäßig eine kommunistische Gruppe. Das waren ungefähr zehn bis fünfzehn Leute. Sie haben viel Zeit in der Konditorei verbracht. Ich weiß, dass es jüdische und nichtjüdische Kommunisten waren. Sie haben Informationen ausgetauscht und Spiele gespielt, an Domino kann ich mich gut erinnern. Auch ich habe sehr gern Domino gespielt. Oft haben sie mich gerufen: “Komm Hillel, spiel mit uns!“ Und ich war immer sehr stolz, dass ich mit ihnen spielen durfte. Sie haben Bier und Kaffee getrunken und viel Käsekuchen gegessen. Der Käsekuchen meines Vaters war nämlich ganz berühmt. Sie haben immer alles bezahlt. Mein Vater war ein frommer Jude, er hat nichts von Politik verstanden, denn Politik hat ihn überhaupt nicht interessiert.
Unsere Straße war sehr jüdisch, aber mit den Kommunisten haben wir gut zusammen gelebt. Natürlich wusste ich damals nicht, was ein Kommunist ist.
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Grenadierstraße
Die heutige Almstadtstraße in Berlin-Mitte hieß bis 1951 Grenadierstraße.
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Scheunenviertel
Als Scheunenviertel wurde früher ein im heutigen Berliner Ortsteil Mitte gelegenes Gebiet zwischen dem Hackeschen Markt und dem heutigen Rosa-Luxemburg-Platz bezeichnet. 1670 wurden wegen der hohen Feuergefahr Scheunen im Stadtgebiet Berlins verboten. So entwickelte sich ein “Scheunenviertel“ außerhalb der alten Stadt. Ab 1737 mussten sich die Juden Berlins, die kein eigenes Haus besaßen, im Scheunenviertel niederlassen. So wurde dieses Viertel auch durch jüdische Kultureinflüsse geprägt, hier entstand die erste jüdische Synagoge und der erste Jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße. Das Scheunenviertel wurde später zum Zentrum von osteuropäischen Jüdinnen und Juden aus Litauen, Polen und der Ukraine, die vor Pogromen nach Berlin flüchteten.
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Pejes
Pejes heißen die langen Schläfenlocken, die viele orthodoxe Juden tragen.
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Kaftan
Ein Kaftan ist ein langes, enges, vorn geknöpftes Obergewand der orthodoxen Juden.
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Kommunismus
Der Begriff "Kommunismus" geht auf das lateinische Wort “communis“ zurück, was “gemeinsam“ bedeutet. Der Kommunismus hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie eine ideale menschliche Gesellschaft aussehen sollte: allen Menschen soll gemeinsam das gehören, was für den Lebensunterhalt notwendig ist.
Arbeitsaufträge
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Vergleiche die beschriebene koschere Konditorei “Krakauer Café und Konditerei“ mit Konditoreien und Cafes, die du kennst. Finde Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
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Verfasse einen Tagebucheintrag – ein typischer Tag von Hillel im Krakauer Café ihrer Eltern. Welche besonderen Ereignisse könnte er aufgeschrieben haben?
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Der Vater von Hillel wird als “frommer Jude“ beschrieben.
a. Erkläre die Bedeutung dieses Begriffs mit eigenen Worten.
b. Ist es möglich, fromm und zugleich politisch zu sein? Begründe deine Aussage.
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Im Krakauer Café traf sich regelmäßig eine kommunistische Gruppe. Erläutere Hillels Aussage, dass es “jüdische und nichtjüdische Kommunisten waren“ und begründe, dass die Zusammenkunft politisch und nicht religiös motiviert war.