Rosa Rosenstein
Kindheit in Berlin
Nach Hitlers Machtübernahme floh Rosas Familie aus Berlin nach Palästina; Rosa ging 1939 mit ihrem ungarischen Ehemann Michi und ihren zwei kleinen Töchtern nach Budapest. Während Rosa und Michi interniert waren, gelang es Rosa, ihre Töchter aus Budapest zu ihrer Famile nach Palästina zu schicken. Michi starb im Arbeitslager in der heutigen Ukraine, Rosa überlebte im Versteck in Budapest während der letzten Kriegsmonate. Nach Kriegsende heiratete sie Alfred Rosenstein aus Wien, bekam einen Sohn, Georg , und zog mit ihrem Mann in seine Heimatstadt Wien. Georg, der heutzutage Zwi heißt, wanderte 1963 nach seiner Matura (Abitur) nach Israel aus, lebte in einem Kibbutz und gründete eine eigene Familie, mit der er schließlich nach Österreich zurückkehrte.
Meine Mutter hat koscher gekocht. In Berlin, in der Grenadierstrasse, waren nur jüdische Geschäfte. Da war das koschere Fleischgeschäft von Sussmann, da waren Hühnergeschäfte, das war alles koscher. Dort hat man eingekauft. Alles war bei uns koscher. Blau zum Beispiel war für milchig, dafür hatten wir blaukarierte Handtücher. Und die rotkarierten waren für fleischig. Das Geschirr war genauso extra, abgewaschen wurde auch separat. Die Tischtücher waren extra, rot für täglich, sonst hat man weiß gedeckt. Das war sehr schön zu Hause. Das Pessach-Geschirr stand in einem riesengroßen Koffer auf dem Hängeboden. Es war sehr feierlich, wenn es dann heruntergenommen wurde. Und meine Mutter hat Gänse gekauft und im Pessach-Geschirr ausgebraten, damit wir Schmalz hatten. Die Gänseleber zu Pessach war wunderbar.
Meine Eltern sind in jüdische Bethäuser gegangen, das eine hieß “Ahavat Zedek“ und das andere “Ahavat Chaim“. Die Betstuben waren auf irgendeinem großen Hinterhof.
Die neuen Sachen kamen immer zu den Feiertagen, zu Pessach und zu Rosch ha-Schana. Zu Rosch ha-Schana kamen immer die Wintersachen. Das waren beige Mäntel, fertig gekauft. Natürlich habe ich mir gleich an der Seite ein Dreieck eingerissen. Das wurde dann genäht, gestopft, aber trotzdem mit der Zeit sah es schäbig aus. Dann haben wir wieder neue Mäntel bekommen, da trug ich schon den alten von meiner Schwester, weil meiner nicht mehr in Ordnung war. Meine Mutter hat mit mir geschimpft. Ich habe überhaupt nichts auf Kleidung gegeben.
Dienstmädchen hatten wir nur als wir klein waren, weil meine Mutter unserem Vater in der Schneiderwerkstatt geholfen hat. Ein Dienstmädchen hieß Elsa, das andere Emma. Die beiden waren aus Pommern. Das Dienstmädchen wohnte bei uns, aber für sie wurde nur ein Bett aufgestellt. Das war früher primitiv. Die Mädels kamen alle vom Land und waren froh, dass sie sich erhalten konnten. Die Emma war eine Sabbatistin, die ist nur zu Juden gegangen. Am Schabbat war ihr Feiertag, am Sonntag hat sie gearbeitet. Die Sabbatisten ‑ das war eine Sekte ‑ die haben auch kein Schweinefleisch gegessen.
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koscher
Das hebräische Wort kascher bedeutet “einwandfrei“, “unbedenklich“, “tauglich“. Koscher ist die aschkenasische Aussprache des Wortes. Es bezeichnet Speisen, die nach den jüdischen Speisegesetzen, dem Kaschrut, zum Verzehr geeignet sind und die nach Vorschrift zubereitet wurden.
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Grenadierstraße
Die heutige Almstadtstraße in Berlin-Mitte hieß bis 1951 Grenadierstraße.
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Pessach
Pessach, auch: Pascha- oder Passa-Fest genannt, gehört zu den Hochfesten im jüdischen Kalender. Pessach gehört zu den höchsten Festen im Judentum. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten, die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei, mit der sie als eigenes, von Gott erwähltes Volk in die Geschichte eintraten. Die Nacherzählung (Haggada) verbindet jede neue Generation mit ihrer Ursprungsgeschichte. Pessach wird in der Woche vom 15. bis 22. Nissan (März/April) als Familienfest mit verschiedenen Bräuchen gefeiert, darunter dem Seder in der Nacht des ersten Tages, bei dem die Haggada gelesen wird und dem einwöchigen Verzehr von Matze.
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Bethaus
Bethaus ist ein oft einfacher, provisorischer Kirchenbau, in dem Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen stattfinden. Der Begriff wird auch gleichbedeutend mit “Synagoge“ verwendet.
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Ahavat Zedek
Ahavat Zedek ist der Name eines ehemaligen jüdischen Bethauses in Berlin-Mitte. Ahawat Zedek bedeutet “Liebe der Gerechtigkeit“.
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Ahavat Chaim
Ahavat Chaim ist der Name eines ehemaligen jüdischen Bethauses in Berlin-Mitte. Ahawat Chaim bedeutet “Liebe des Lebens“.
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Rosch ha-Schana
Rosch ha-Schana ist das jüdische Neujahrsfest, einer der heiligsten Tage des Judentums. Das Fest beginnt am ersten Tag des siebten Monats des hebräischen Kalenders, der in den September oder Oktober fällt und bedeutet "Kopf des Jahres" oder "Erster des Jahres". Rosch Haschana erinnert an die Erschaffung der Welt und markiert den Beginn der Tage der Ehrfurcht, einer 10-tägigen Periode der Selbstbesinnung und Reue, die im Jom Kippur-Fest gipfelt, das auch als Versöhnungstag bekannt ist. Rosch Haschana und Jom Kippur sind die beiden "Hohen Heiligen Tage" der jüdischen Religion.
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Pommern
Die historische Region Pommern umfasst die Gebiete an der Südküste der Ostsee zwischen den Flüssen Oder und Weichsel.
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Sabbatisten
Als Sabbatisten, auch Sabbatianer, werden christliche Gemeinschaften, die den Schabbat einhalten, bezeichnet.
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Schabbat
Schabbat, jiddisch “Schabbes“, ist der siebte Wochentag, der durch die Tora vorgeschriebene Tag, an dem keinerlei Arbeit verrichtet werden soll, er soll dem Gottesfürchtigen dazu dienen, Zeit mit Gott zu verbringen. Der Schabbat beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend.
Rosa Rosenstein
Leben mit Geschichte
Nach Hitlers Machtübernahme floh Rosas Familie aus Berlin nach Palästina. Rosa ging 1939 mit ihrem ungarischen Ehemann Michi und ihren zwei kleinen Töchtern nach Budapest. Während Rosa und Michi interniert waren, gelang es Rosa, ihre Töchter aus Budapest zu ihrer Famile nach Palästina zu schicken. Michi starb im Arbeitslager in der heutigen Ukraine, Rosa überlebte im Versteck in Budapest während der letzten Kriegsmonate. Nach Kriegsende heiratete Rosa Alfred Rosenstein aus Wien, bekam einen Sohn, Georg, und zog mit ihrem Mann in seine Heimatstadt Wien. Georg, der heute Zwi heißt, wanderte 1963 nach seinem Abitur nach Israel aus, lebte in einem Kibbutz und gründete eine eigene Familie, mit der er schließlich nach Österreich zurückkehrte. Rosa Rosenstein starb 2005 im Alter von 98 Jahren.
Arbeitsaufträge
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Beschreibe, wie Religion das Alltagsleben von Rosa und ihrer Familie beeinflusst hat.
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Die Familie von Rosa hat besonderes Geschirr benutzt für besondere Nahrungsmittelbestandteile und Feiertage. Hast du auch Gelegenheiten, bei der deine Familie besonderes Geschirr benutzt? Vergleiche die Traditionen in deiner Familie mit der Familie von Rosa.
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Erkläre, wieso Rosa und ihre Familie kein Schweinefleisch essen und in besonderen Läden ihr Lebensmittel einkaufen.
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Vergleiche die Bilder von Rosa. Was kannst du darin über ihr religiöses und soziales Leben erkennen?