Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Erna Goldmann

Mein Großvater

Erna Goldmann kam am 22. Dezember 1917 in Frankfurt am Main als jüngstes Kind von Theodor Guggenheim und seiner Frau Rosa, geborene Rapp, zur Welt. Ihre Familie lebte traditionell jüdisch, führte einen koscheren Haushalt und feierte die jüdischen Festtage. Erna besuchte die jüdische Schule und war mit ihren Brüdern und Freunden in einer zionistischen Jugendorganisation aktiv. Während ein Teil ihrer Familie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland verließ, blieb Erna zunächst in Frankfurt. Als jedoch das Leben für Juden immer schwieriger wird, emigriert auch Erna nach Palästina.

Erna Goldmann in Frankfurt, 1922
Erna Goldmann in Frankfurt, 1932

Mein Großvater mütterlicherseits hieß Michael Rapp. Wir haben in Frankfurt zusammen im selben Haus gewohnt, in der Eschenheimer Anlage 30. Das war eine Wohnanlage, da standen rechts und links Häuser, und die Strasse hieß Eschenheimer Anlage.

Sie begann am Eschenheimer Turm, der ein Wahrzeichen und das älteste Bauwerk der Stadt Frankfurt ist. Das Haus, in dem wir alle wohnten, gehörte meinem Großvater. Es hatte drei Stockwerke. Im unteren Stock wohnte eine Arztfamilie, der Großvater wohnte in der Mitteletage, und wir wohnten über ihm im zweiten Stock. Es gab auch Dachwohnungen, die waren für das Dienstpersonal.

Mein Großvater war ein großer stattlicher Mann. Er soll ein sehr bekannter Mann in Frankfurt gewesen sein. Man sagte mir, er hätte einen Kaffeeimport gehabt. Bis zur Inflation im Jahre 1923 war er sehr wohlhabend. Dann hat er viel Geld verloren, aber wenn ich so zurück denke, hat er trotzdem ganz gut gelebt. Er hatte eine Köchin und Haushälterinnen in seiner Siebenzimmerwohnung.

Als ich ihn kannte, hat er gar nichts gemacht. Er saß zu Hause an seinem Schreibtisch und hat jeden Morgen die Zeitung gelesen und Briefe geschrieben. Das ist das Einzige, woran ich mich erinnern kann.

Mein Großvater war religiös. Er hat koscher gegessen und ist am Schabbat nicht gefahren. Er hat alle Feiertage gehalten und ist regelmäßig in die Synagoge gegangen. Mein Vater und mein Großvater sind immer zusammen in die Synagoge gegangen.

Aber mein Großvater hat auch für sein nichtjüdisches Personal zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum gekauft, Geschenke dran gehängt und die Kerzen angezündet. Daran kann ich mich erinnern, das habe ich gesehen. Ich war ja ein Kind, und sowas sieht immer schön aus. Aber ansonsten hatten wir mit christlichen Festen nichts zu tun.

Mein Großvater hatte kein schönes Ende. Er ist nicht mehr aus Deutschland raus gekommen. Meine Brüder, meine Mutter und ich waren bereits weg. Er musste sein Haus verlassen und wohnte dann in einem jüdischen Hotel. Als das Hotel arisiert wurde und der Besitzer deportiert wurde, wurde er von einer christlichen Familie in Frankfurt versteckt. Ich weiß nicht, wann er gestorben ist, aber ich weiß, er war in keinem KZ. Aber er war allein, ohne seine Familie.

Das Haus meines Großvaters existiert noch. Es wurde aber nach dem Krieg umgebaut. Ich weiß nicht genau, wann ich noch einmal in Frankfurt war, vielleicht vor ungefähr zwanzig Jahren. Ich war damals eingeladen von der Stadt Frankfurt, da habe ich auch das Haus besucht.

Es ist etwas höher geworden, eine Etage wurde dazu gebaut, aber sonst sah es so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich war aber nicht im Haus, ich kenn ja niemanden mehr, was hätte ich den Leuten sagen sollen? Blöd, nicht wahr?

Vergleiche diese mit einer anderen Geschichte

Erna Goldmann


Von Frankfurt nach Tel Aviv. Die Geschichte von Erna Goldmann

Die Geschichte beginnt in der Zwischenkriegszeit in Frankfurt am Main, wo Ernas Familie seit Generationen lebte. Hier besuchte Erna die jüdische Schule und war mit ihren Brüdern und Freunden in einer zionistischen Jugendorganisation. Während ein Teil ihrer Familie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland verließ, blieb Erna zunächst in Frankfurt -- als jedoch das Leben für Juden immer schwieriger wird, emigriert auch Erna nach Palästina.

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