Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Menachem Mayer

Flucht in die Schweiz

Heinz Mayer wurde 1932 in Hoffenheim, unweit von Heidelberg, geboren. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich das Leben der Familie Mayer dramatisch. Menachem, sein Bruder Manfred und ihre Eltern Karl und Mathilde erlebten Ausgrenzung und Erniedrigung. Die Brüder Mayer konnten keine öffentlichen Schulen mehr Besuchen, der Vater verlor seinen Job als Viehhändler und wurde zum Arbeitsdienst verpflichtet. In der Reichspogromnacht wurde Karl Mayer ins KZ Dachau verschleppt, die Familie verlor ihre angestammte Wohnung. Am 22. Oktober wurde die Familie Mayer - wie alle jüdischen Familien in Baden und der Pfalz - ins Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Um ihre Kinder zu retten, übergaben Karl und Mathilde Mayer Menachem und seinen Bruder Fred an eine jüdische Hilfsorganisation, die sie versteckte. Menachems Eltern wurden im August 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs emigrierte Heinz nach Israel, wo er sich den neuen Namen Menachem gab; Manfred wurde Fred, als er in die USA emigrierte. Erst nach 26 Jahren Trennung sahen sich die beiden Brüder wieder.

Heinz im Kinderheim Waldrösli, Schwendibach, Kanton Bern, Schweiz, Herbst 1944
Heinz nach seiner Ankunft in Genf, 25. Mai 1944
Heinz (oben links) und sein Freund Alfred Stein (oben rechts), Aliya Heim (Hotel Central), Engelberg, Kanton Obwalden, Schweiz, 1945

Eines Nachts, im Mai 1944, wurde ich aus dem Bett geholt, und man hat mich in die Schweiz geschmuggelt. Wir waren 15 Kinder. Wir sind mit dem Zug bis Lyon gefahren, und dann fuhren wir mit dem Autobus oder mit einem Lastauto weiter. Ich weiß es nicht genau. Dann sind wir durch einen Wald gelaufen. Irgendwann wusste ich, dass ich angekommen bin in der Schweiz. Später hat sich herausgestellt, dass die Gestapo, da habe ich eine Dokumentation gefunden, auf unseren Spuren war. Die Vichy-Regierung wusste von dem Versteck der jüdischen Kinder. Das wurde den Leuten, die für uns verantwortlich waren, mitgeteilt. Und dann war alles Zufall, wo ich hingekommen bin und wo die anderen hingekommen sind. Nur Alfred blieb immer bei mir. 

Ich war 12 Jahre alt. Man fragte mich, ich habe das Protokoll davon, das sind nicht nur Erinnerungen, ob ich zu einem religiösen Platz will oder nicht. Ich habe geantwortet: Das ist egal! Ich sprach damals Französisch, ich hatte überhaupt nicht die Frage verstanden. Es war mir ganz egal. Und dann bin ich in orthodox religiöse Hände gefallen. Ich war in der Schweiz vier Jahre, bis ich weggelaufen bin. Ich bin weggelaufen, die Schweizer suchen mich bis heute! Während der vier Jahre, bis September 1948, war ich in zehn verschiedenen Kinderheimen. Es gab eine jüdische Organisation, welche die finanzielle Hilfe gab. Ich fühlte mich allein, aber ich war schon lange daran gewöhnt, allein zu sein. Das war nicht neu für mich. Ich war seit dem Lager Gurs allein. Mein Freund Alfred war aber die ganze Zeit bei mir. Einer von diesen Erziehern sagte zu mir: Alfred hat einen schlechten Einfluss auf dich! Ich meine, es wäre gut, wenn ich Alfred woanders hinschicke. Aber was du entscheidest, werde ich machen. Ich sagte ihm: “Lass ihn hier!“ 

Alfred hatte einen sehr herausfordernden Charakter. Ich war ein Lausbub, er war ein sehr großer Lausbub! Nach der Erziehung, die wir hatten, wäre mir nie eingefallen, wieder in Deutschland zu leben, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte. Alfred ging zurück nach Deutschland, er ist verhältnismäßig jung gestorben. Aber man darf niemanden beurteilen. Er hat in Deutschland etwas Technisches gearbeitet, genau weiß ich es nicht. Alfred war seit Gurs immer mit mir, in Aspet, Toulouse und allen zehn religiösen Heimen. Aber 1947 sah ich ihn das letzte Mal.

Vergleiche diese mit einer anderen Geschichte

Menachem Mayer


Erinnere dich

Ihr Leben begann als Heinz und Manfred: sie wuchsen in einem Dorf namens Hoffenheim auf, nicht weit entfernt von Heidelberg. Aber mit dem aufkommenden Nationalsozialismus nahm ihr Schicksal eine dramatische Wende. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs emigrierte Heinz nach Israel, wo er sich den neuen Namen Menachem gab; Manfred wurde Fred, als er in die USA übersiedelte. Diese Geschichte erzählt von ihrem Überleben im Zweiten Weltkrieg und vom Schicksal ihrer Eltern - und davon, wie Menachem und Fred sich entschieden, Hoffenheim wieder zu besuchen. Der 2018 produzierte Film wird in drei Versionen erzählt - in Deutsch, Hebräisch und Englisch. Sprecher ist Ilay Elmkies, Profifussballer der TSG Hoffenheim und israelischer Nationalspieler.

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