Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Vergleiche

Hier kannst du zwei Geschichten gegenüberstellen und vergleichen:

Menachem Mayer

Flucht in die Schweiz

Eines Nachts, im Mai 1944, wurde ich aus dem Bett geholt, und man hat mich in die Schweiz geschmuggelt. Wir waren 15 Kinder. Wir sind mit dem Zug bis Lyon gefahren, und dann fuhren wir mit dem Autobus oder mit einem Lastauto weiter. Ich weiß es nicht genau. Dann sind wir durch einen Wald gelaufen. Irgendwann wusste ich, dass ich angekommen bin in der Schweiz. Später hat sich herausgestellt, dass die Gestapo, da habe ich eine Dokumentation gefunden, auf unseren Spuren war. Die Vichy-Regierung wusste von dem Versteck der jüdischen Kinder. Das wurde den Leuten, die für uns verantwortlich waren, mitgeteilt. Und dann war alles Zufall, wo ich hingekommen bin und wo die anderen hingekommen sind. Nur Alfred blieb immer bei mir. 

Ich war 12 Jahre alt. Man fragte mich, ich habe das Protokoll davon, das sind nicht nur Erinnerungen, ob ich zu einem religiösen Platz will oder nicht. Ich habe geantwortet: Das ist egal! Ich sprach damals Französisch, ich hatte überhaupt nicht die Frage verstanden. Es war mir ganz egal. Und dann bin ich in orthodox religiöse Hände gefallen. Ich war in der Schweiz vier Jahre, bis ich weggelaufen bin. Ich bin weggelaufen, die Schweizer suchen mich bis heute! Während der vier Jahre, bis September 1948, war ich in zehn verschiedenen Kinderheimen. Es gab eine jüdische Organisation, welche die finanzielle Hilfe gab. Ich fühlte mich allein, aber ich war schon lange daran gewöhnt, allein zu sein. Das war nicht neu für mich. Ich war seit dem Lager Gurs allein. Mein Freund Alfred war aber die ganze Zeit bei mir. Einer von diesen Erziehern sagte zu mir: Alfred hat einen schlechten Einfluss auf dich! Ich meine, es wäre gut, wenn ich Alfred woanders hinschicke. Aber was du entscheidest, werde ich machen. Ich sagte ihm: “Lass ihn hier!“ 

Alfred hatte einen sehr herausfordernden Charakter. Ich war ein Lausbub, er war ein sehr großer Lausbub! Nach der Erziehung, die wir hatten, wäre mir nie eingefallen, wieder in Deutschland zu leben, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte. Alfred ging zurück nach Deutschland, er ist verhältnismäßig jung gestorben. Aber man darf niemanden beurteilen. Er hat in Deutschland etwas Technisches gearbeitet, genau weiß ich es nicht. Alfred war seit Gurs immer mit mir, in Aspet, Toulouse und allen zehn religiösen Heimen. Aber 1947 sah ich ihn das letzte Mal.