Rosa Rosenstein
Die Schulzeit
Nach Hitlers Machtübernahme floh Rosas Familie aus Berlin nach Palästina; Rosa ging 1939 mit ihrem ungarischen Ehemann Michi und ihren zwei kleinen Töchtern nach Budapest. Während Rosa und Michi interniert waren, gelang es Rosa, ihre Töchter aus Budapest zu ihrer Famile nach Palästina zu schicken. Michi starb im Arbeitslager in der heutigen Ukraine, Rosa überlebte im Versteck in Budapest während der letzten Kriegsmonate. Nach Kriegsende heiratete sie Alfred Rosenstein aus Wien, bekam einen Sohn, Georg , und zog mit ihrem Mann in seine Heimatstadt Wien. Georg, der heutzutage Zwi heißt, wanderte 1963 nach seiner Matura (Abitur) nach Israel aus, lebte in einem Kibbutz und gründete eine eigene Familie, mit der er schließlich nach Österreich zurückkehrte.
Ich habe eine jüdische Mädchenschule besucht, heute würde man sagen eine “Höhere Töchterschule“. Wir mussten Französisch lernen, und Englisch war Wahlfach. Natürlich war ich zu faul für Englisch, da habe ich nur Französisch gelernt. Damals gab es keine Vorschule. Es fing in der neunten Klasse an, und es ging hinauf bis zur ersten. Die neunte Klasse war wie heute die erste Klasse, und die erste war die letzte. Die nannte man Lyzeum.
Ich habe überhaupt keinen Kontakt gehabt mit Christen. Meine Eltern auch nicht, nur geschäftlich, aber privat nicht. Aber eine christliche Jugendfreundin hatte ich, die wohnte im selben Haus. Mit der bin ich mitgegangen, wenn sie beichten ging.
Für drei Stunden, drei Mal in der Woche, haben wir bei Dr. Selbiger, das war der Lehrer, biblische Geschichte und Hebräisch lesen gelernt. Die Schreibschrift haben wir nicht gelernt, die Druckschrift haben wir gelernt. Ich konnte alle Gebete. Ich musste ja auch beten. Meine Großmutter hat da aufgepasst. Früh morgens hat man gebetet “Modim anachnu lo“, und abends hat man das “El Male Rachamim“, das Abendgebet, gesagt.
Meine Schwestern gingen auch in diese Schule. Ich musste dann aus der Schule; über mich wurde verfügt. Mir wurde vorgeschrieben, wie lange ich in die Schule gehen darf, dann musste ich die Handelsschule machen, weil mein Vater mich im Geschäft gebraucht hat. Ich musste erst einmal so eine Art Praktikum in einer fremden Firma machen. Wir hatten eine jüdische Sekretärin, die heiratete, und ich musste ihre Arbeit übernehmen. Wir hatten auch ein Detailgeschäft, Herrenkonfektion. Ich war in dem Betrieb, wo genäht wurde, und meine Schwester Betty, die dieselbe Handelsschule besuchte wie ich, hat dann in dem Detailgeschäft gearbeitet.
In der Handelsschule hat man in einem halben Jahr alles lernen müssen: Maschine schreiben, Stenografie, Buchführung, und alles in großem Tempo. Ich habe Mitschüler gehabt, die 20 Jahre alt waren, und ich war 15 Jahre alt, aber ich war besser als die anderen. Meine Mutter war nie in der Schule, um sich zu erkundigen, wie ich studiere. Es gab keine Klagen.
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Höhere Töchterschule
Höhere Töchterschule, auch höhere Mädchenschule, ist die Bezeichnung für eine Mädchenschule Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland, die mit der Sekundarstufe I, also der fünften bis zehnten Klasse des heutigen Schulsystems im deutschsprachigen Raum, vergleichbar ist.
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Lyzeum
Höhere Schule für Mädchen wurden früher Lyzeum genannt.
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Modim anachnu lach
“Modim anachnu lach“, hebräisch für “Wir danken Dir”, ist ein zentrales Gebet, das zeigt, wie sehr Jüdinnen und Juden das Danken schätzen.
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El Male Rachamim
“El Male Rachamim“, hebräisch für “G'tt voller Erbarmen“ sind die Anfangsworte eines jüdischen Gebetes, das während Beerdigungen, am Todestag eines Verstorbenen, beim Besuch der Gräber von Angehörigen sowie an Jom haScho'a zum Gedenken an die Opfer der Schoa in unterschiedlichen Fassungen gebetet wird.
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Detailgeschäft
Detailgeschäfte sind Handelsunternehmen, die Waren verschiedener Hersteller beschaffen und verkaufen. Heute ist der Begriff “Einzelhandelsgeschäft“ gebräuchlicher.
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Herrenkonfektion
Kleidung für Männer, die in großer Zahl in einer Fabrik hergestellt wird, nannte man Herrenkonfektion.
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Stenografie
Stenografie ist eine Kurzschrift, die durch besondere Zeichen sehr schnelles Schreiben ermöglicht.
Rosa Rosenstein
Leben mit Geschichte
Nach Hitlers Machtübernahme floh Rosas Familie aus Berlin nach Palästina. Rosa ging 1939 mit ihrem ungarischen Ehemann Michi und ihren zwei kleinen Töchtern nach Budapest. Während Rosa und Michi interniert waren, gelang es Rosa, ihre Töchter aus Budapest zu ihrer Famile nach Palästina zu schicken. Michi starb im Arbeitslager in der heutigen Ukraine, Rosa überlebte im Versteck in Budapest während der letzten Kriegsmonate. Nach Kriegsende heiratete Rosa Alfred Rosenstein aus Wien, bekam einen Sohn, Georg, und zog mit ihrem Mann in seine Heimatstadt Wien. Georg, der heute Zwi heißt, wanderte 1963 nach seinem Abitur nach Israel aus, lebte in einem Kibbutz und gründete eine eigene Familie, mit der er schließlich nach Österreich zurückkehrte. Rosa Rosenstein starb 2005 im Alter von 98 Jahren.
Arbeitsaufträge
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Beschreibe den Einfluss von Religion auf das Alltagsleben von Rosa.
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Vergleiche das Schulleben von Rosa mit deinem – finde Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
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Erläutere die Lerninhalte an Rosas Handelsschule und benenne Unterschiede zu heutigen Handelsschulen.
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Begründe, wieso Rosa nur eine christliche Freundin hatte.