Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Vergleiche

Hier kannst du zwei Geschichten gegenüberstellen und vergleichen:

Rosa Rosenstein

Die Auswanderung der Familie

Mein Bruder hieß Anschel, zu Deutsch Arthur. Er wurde Anschi gerufen. Mein Bruder war wundervoll und ist heute noch wundervoll. Arthur war von Geburt an Zionist. In Berlin war er im Verein Haschomer Hatzair. Mein Vater hat gesagt, er soll studieren, aber Anschi meinte, Palästina braucht keine Ärzte und keine Doktoren, Palästina muss aufgebaut werden, da braucht man Bauern. Und nachdem er zwei Jahre im Gymnasium war, ist er weggezogen von zu Hause in seinen Verein, ich glaube es war HaBonim, und dann sie sind nach Palästina gefahren. Ich war noch auf dem Bahnhof und hab ihn verabschiedet. Sie gingen ins Hule Gebiet, das war oben im Galil. Da waren nur Sümpfe mit Mücken und Wespen, und die mussten gerodet werden. Dort haben sie gearbeitet, und geschlafen haben sie in Zelten. Er bekam Malaria und Typhus. Er hat viel mitgemacht. Mein Bruder lebt heute in Haifa. Seine Frau, die Rosel, war mit ihm zusammen im Bund, sie ist also eine Jugendfreundin. Er wurde Schlosser, hat schwer gearbeitet, von morgens bis abends. Arthur hat zwei Töchter Ruth, verheiratete Dickstein und Jael, verheiratete Rappoport. Beiden Töchtern hat er eine sehr gute Ausbildung ermöglicht.

Meiner Schwester Betty wurde 1933 aus rassischen Gründen gekündigt, und da hat meine Mutter aufgehorcht. Im Dezember 1933 ging Betty nach Palästina. Betty hatte in Berlin beim Gericht gearbeitet und war pragmatisiert. Meine Mutter, die sehr umsichtig und klug war, hat gesagt: “Es hat keinen Sinn, Betty, wir müssen uns alle auf den Weg machen, und du wirst die erste sein, die nach Palästina geht!“ Damals verlangten die Engländer ein Zertifikat, das bekam man, wenn man einen bestimmten Beruf ausüben konnte, zum Beispiel einen landwirtschaftlichen oder man hatte viel Geld, dann konnte man ein Zertifikat kaufen.

Betty ging auf Hachschara. Sie wurde vom Palästina-Amt nach Polen vermittelt. Dort hat sie in einer Kommune gelebt. Und sie selbst musste die blutigen Häute waschen, die man den Tieren abgezogen hatte. Sie sagte, sie hat sich so geekelt, dass es schrecklich war. Was sie dort anhatte, das hat sie nicht mehr mit nach Hause genommen, das hat sie alles dort gelassen.

Betty hat in Palästina zuerst die WIZO-Schule besucht, um kochen zu lernen. Die WIZO, das war diese Frauenorganisation. Das dauerte ein halbes Jahr. Sie hat im Haus, in dem sie gearbeitet hat, nämlich bei der Mutter von Chaim Weizmann ihren zukünftigen Mann, Perez Chaim, kennen gelernt. Er war Elektroingenieur bei Rutenberg. Das war eine große Stromfirma in Israel. Sein Vater war ein Theologe. Betty und ihr Mann haben keine Kinder.