Rosa Rosenstein
Kindheit in Berlin
Meine Mutter hat koscher gekocht. In Berlin, in der Grenadierstrasse, waren nur jüdische Geschäfte. Da war das koschere Fleischgeschäft von Sussmann, da waren Hühnergeschäfte, das war alles koscher. Dort hat man eingekauft. Alles war bei uns koscher. Blau zum Beispiel war für milchig, dafür hatten wir blaukarierte Handtücher. Und die rotkarierten waren für fleischig. Das Geschirr war genauso extra, abgewaschen wurde auch separat. Die Tischtücher waren extra, rot für täglich, sonst hat man weiß gedeckt. Das war sehr schön zu Hause. Das Pessach-Geschirr stand in einem riesengroßen Koffer auf dem Hängeboden. Es war sehr feierlich, wenn es dann heruntergenommen wurde. Und meine Mutter hat Gänse gekauft und im Pessach-Geschirr ausgebraten, damit wir Schmalz hatten. Die Gänseleber zu Pessach war wunderbar.
Meine Eltern sind in jüdische Bethäuser gegangen, das eine hieß “Ahavat Zedek“ und das andere “Ahavat Chaim“. Die Betstuben waren auf irgendeinem großen Hinterhof.
Die neuen Sachen kamen immer zu den Feiertagen, zu Pessach und zu Rosch ha-Schana. Zu Rosch ha-Schana kamen immer die Wintersachen. Das waren beige Mäntel, fertig gekauft. Natürlich habe ich mir gleich an der Seite ein Dreieck eingerissen. Das wurde dann genäht, gestopft, aber trotzdem mit der Zeit sah es schäbig aus. Dann haben wir wieder neue Mäntel bekommen, da trug ich schon den alten von meiner Schwester, weil meiner nicht mehr in Ordnung war. Meine Mutter hat mit mir geschimpft. Ich habe überhaupt nichts auf Kleidung gegeben.
Dienstmädchen hatten wir nur als wir klein waren, weil meine Mutter unserem Vater in der Schneiderwerkstatt geholfen hat. Ein Dienstmädchen hieß Elsa, das andere Emma. Die beiden waren aus Pommern. Das Dienstmädchen wohnte bei uns, aber für sie wurde nur ein Bett aufgestellt. Das war früher primitiv. Die Mädels kamen alle vom Land und waren froh, dass sie sich erhalten konnten. Die Emma war eine Sabbatistin, die ist nur zu Juden gegangen. Am Schabbat war ihr Feiertag, am Sonntag hat sie gearbeitet. Die Sabbatisten ‑ das war eine Sekte ‑ die haben auch kein Schweinefleisch gegessen.