Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Vergleiche

Hier kannst du zwei Geschichten gegenüberstellen und vergleichen:

Menachem Mayer

Besuch in Hoffenheim als erwachsener Mann

Das erste Mal war ich 1974 wieder in Hoffenheim. Ich war in einer Gruppe von israelischen Erziehern, welche von der deutschen Regierung eingeladen worden waren. Die deutsche Regierung damals war daran interessiert, mehr Kontakt zu Israel zu haben. Ich hatte mit mir gerungen zu fahren, ich wollte eigentlich nie wieder nach Deutschland. Die Entscheidung zu fahren war schwer, aber ich habe mich dann entschlossen: Ich fahre mit! Wir haben uns die Aktivitäten verschiedener Schulen angesehen in Baden-Württemberg und Hessen. Und an einem Tag habe ich mich von der Gruppe getrennt und bin mit dem Zug von Heidelberg nach Hoffenheim gefahren. Im Zug fragte ich den Schaffner: “Wann gibt es wieder einen Zug zurück von Hoffenheim nach Heidelberg?“ Da hat er ein Heft herausgenommen und auf einen Zettel geschrieben: der Zug fährt weg um 7:00 Uhr, kommt an um 8:00 Uhr, fährt weg um 8:00 Uhr kommt an um 9:00 Uhr, der Zug fährt weg um 9:00 Uhr kommt an um 10:00 Uhr. Ich habe zu ihm gesagt: “Es genügt mir nur am Nachmittag.“ Da hat er die Hacken zusammengeschlagen und gesagt: “Sie haben mir einen Befehl gegeben.“ Er war ein älterer Mann. Das war eine der ersten Begegnungen. Dann stand ich in Hoffenheim. Ich war aufgeregt! Ich ging durch die Straßen, ging zum Wald, durch den ich mit meinen Eltern und meinem Bruder so oft gegangen war, um die Großmutter Mina in Neidenstein zu besuchen, ich erkannte die Gerüche und Farben und sehnte mich nach dieser zerstörten Welt. Sehnte mich nach meiner Kindheit. Ich bin zu dem Platz gegangen, wo damals die Synagoge stand. Statt der Synagoge stand da eine Scheune. In einem Hof gegenüber war eine Frau. Ich fragte sie, ob sie eine Familie Mayer gekannt hat. “Ja, ja!“ Da habe ich gesagt: “Das war eine jüdische Familie.“ Nein, sagte sie, die habe sie nicht gekannt. Das war meine erste Begegnung! Ich sprach eine jüngere Frau an, sie war vielleicht fünfzig, sie muss damals ein kleines Kind gewesen sein. Als ich gesagt habe, wer ich bin, hat sie angefangen zu weinen und sagte: “Ja, ich erinnere mich ganz gut, wie ihr die Koffer geschleppt habt und weg musstet.“