Rosa Rosenstein
Jüdisches Essen
Mein Mann, der zu Hause in Budapest bei seinen Eltern überhaupt nicht koscher war, hat sich mir ganz angepasst. Koscher zu leben war ja auch nicht schwierig, man hat ja alles bekommen. In der Grenadierstrasse, in der Dragonerstrasse, in der Mulackstrasse, da waren doch alles nur jüdische Geschäfte und fromme Leute. Da war ein frommer Jude, von dem hat man gesagt, der tut Buße, denn in seiner Jugend war er ein Lümmel und hat sich rumgetrieben mit den Mädels, mit den Christen ‑ also furchtbar! Und dann hat er geheiratet und hat Buße getan, er hat nur den langen Mantel und die weißen Socken getragen, und einen Bart hat er sich wachsen lassen. Rothaarig war er auch noch. Er hatte sechs Kinder. Der wohnte in der Grenadierstrasse. Die Strasse war das Zentrum des Ostjudentums in Berlin. Da sprach man polnisch und jiddisch. Es gab dort Händler mit Altwaren, Fleischgeschäfte, Fischgeschäfte, Geschäfte mit Grünzeug, Bäckereien und jüdische Restaurants. Mein Mann und ich sind sehr oft Essen gegangen, wir aßen so gern Kischke mit Fervel, und dort war das so gut. Fervel, das ist Teigware, Tarhonya ist Reibgerste aus Teig. Kischke, das ist gefüllter Darm, sauberer Rinderdarm, und der wurde gefüllt. Da wurde eine Masse gemacht aus Mehl, Fett, ein bisschen Grieß, Salz, Pfeffer, ein bisschen Knoblauch, und damit wurde der Darm gefüllt. Und der wurde mitgekocht oder mitgebraten mit dieser Tarhonya. Es wird ein Teig gemacht, ein harter Teig, und auf einer Reibe gerieben. Und da kommen kleine und größere Stücke raus, und das wird in Fett gebrutzelt. Das schmeckt wunderbar, ach Gott, ich hab das auch oft gekocht.