Kaleidoskop der jüdischen Erinnerungen

Matilda Albuhaire

Das jüdische Viertel in Burgas

Matilda Albuhaire wurde 1916 in Plovdiv geboren, wuchs aber später in Burgas auf. Nach Abschluss ihrer Lehrerausbildung im Jahr 1937 begann sie als Hebräischlehrerin an der jüdischen Grundschule in Burgas zu arbeiten. Die Schule, in der sie arbeitete, wurde 1941 geschlossen, und 1943 erhielt ihre Familie die Nachricht, dass sie in Polen interniert werden sollte - doch im letzten Moment wurde der Befehl rückgängig gemacht, und die Jüd*innen von Burgas blieben für den Rest des Zweiten Weltkrieges dort, wo sie waren. Matilda schloss ihr Studium an der Universität in Sofia mit einem Doktortitel ab.

Matilda Albuhaire im Morska gradina, einem öffentlichen Park am Schwarzen Meer in Burgas, 1939.
Matilda (links), ihre Mutter Rebecca Albuhaire und ihr Bruder Jack in Burgas,1917.
Matildas Vater Solomon Albuhaire in Burgas, um 1910.
Familienfoto der Albuhaires, Matilda mit ihrem Großvater, ihrer Mutter, ihrem Vater und ihren zwei Brüdern in Burgas, 1930.
Matilda Albuhaire's Großvater väterlicherseits, Yacov Mercado Albuhaire (links), mit seinem Sohn Avram Albuhaire.

In Burgas, Bulgarien, gab es ein Viertel, in dem nur Juden lebten. Alle Juden kannten sich untereinander. Die Gemeinde führte soziale Aktivitäten durch und unterhielt eine Suppenküche für die armen Schüler. Ich erinnere mich, dass jede Familie an einem bestimmten Tag Essen für die Kinder abgab. 

In Burgas gab es sowohl einen jüdischen Kindergarten als auch eine Schule. Die Juden waren hauptsächlich im Handel tätig. Es gab auch einige Molkereien, und die armen Juden waren Schiffer und Verkäufer von gebackenen Samen. Es gab auch einen Schochet und einen Rabbiner.

Ich ging auf das Mädchengymnasium - meine Freundinnen waren sowohl jüdische als auch bulgarische Mädchen. Bei vielen Gelegenheiten kamen wir Mädchen zu Hause zusammen, um 'jours', also Kartenspiele, zu spielen. Die großen Jours fanden immer an Jom Kippur statt, weil unsere Eltern nicht zu Hause waren - sie mussten den ganzen Tag in der Synagoge sein. 

Am Vorabend des Schabbats gingen mein Vater und mein Großvater in die Synagoge, dann kehrten sie nach Hause zurück und wir zündeten die Kerzen an. Ich erinnere mich, dass meine Mutter anfing, donnerstags die Mahlzeiten zuzubereiten, um freitags und samstags nicht kochen zu müssen. 

Damals gab es keine Matze zu kaufen, also haben wir Boleau gekauft. Boleau besteht nur aus Teig, Mehl und Wasser. Kein Aufgehen, kein Salz - es ist ein salzfreies Brot. Die jüdische Gemeinde bestellte es bei einer Bäckerei und wir kauften es von dort. 

Ich erinnere mich, wie ich mit Großvater zum Slichot-Gottesdienst ging - vor Rosch ha-Schana, wo man um Vergebung bittet. Ich bin auch mit meinem Vater in die Synagoge gegangen. Da muss man um 4 Uhr morgens hingehen, wenn es noch dunkel ist. Dort gab es einen Schamasch, der Kaffee auf einem Kohlenbecken zu kochen pflegte. Er kochte ihn draußen nach dem Gottesdienst. 

Von allen Feiertagen mochte ich Fruttas, also Tu Bischwat, am liebsten, weil wir viel Obst aßen und weil sie alle Früchte auf den Tisch stellten. Jeder hat das gegessen, was er am liebsten mochte, und es wurde ein Gebet gesprochen. Wir haben kleine Tüten mit Obst gebastelt, die wir am Feiertag selbst ausgetauscht haben.

Ich hatte keine Bat Mitzwa, aber ich erinnere mich an die Brit Mila bei meinem jüngeren Bruder und an die Bar Mitzwa bei meinem älteren Bruder. Es gab eine große Feier zu Hause, aber ich weiß nicht mehr, ob es eine in der Synagoge gab. Dann schenkte ihm mein Vater oder Großvater eine Taschenuhr (damals gab es noch keine Armbanduhren), die er sein ganzes Leben lang trug.

Vergleiche diese mit einer anderen Geschichte

Matilda Albuhaire


Eine sephardische Familiengeschichte

Matilda Albuhaire wurde 1916 in einer sefardischen Familie in Bourgas am Schwarzen Meer geboren. Sie zeigte uns alte Familienfotos in Istanbul und anderen Städten im Balkan und teilte so mit uns die Geschichte ihrer Familie während des späten Osmanischen Reiches und ihre Jugend im Bulgarien der Vorkriegszeit. Als der Zweite Weltkrieg begann, sollte Matildas Familie in das von den Nationalsozialisten besetzte Polen deportiert werden. Doch die Deportationen wurden gestoppt und die jüdische Gemeinde Bulgariens gerettet. Matilda blieb auch nach dem Krieg im kommunistischen Bulgarien. Als das jüdische Leben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder erwachte, gründete Matilda einen Hebräischen Sprachklub in Sofia.

Arbeitsaufträge

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